Haupinhalt

Vom Supermarkt zum Gemüsegarten: Der Weg zur nachhaltigen Gemeinschaft

21. September 2023
In einer Zeit, in der Supermarktregale vor Auswahl überquellen, setzt Lea Egloff auf Solidarität, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft. Von Foodcoops bis zu gemeinschaftlichen Gemüsegärten – das Engagement der Emmerin zeigt, wie man eine Brücke zwischen Stadt und Land schlagen und dabei eine lebenswerte Zukunft für die kommende Generation gestalten kann.

Im malerischen Unter-Grundhof in Emmen-Dorf hat Lea Egloff, 35-jährige Umweltingenieurin, ihr Zuhause gefunden. Ihre Begeisterung für die solidarische Landwirtschaft zieht sich bereits über 15 Jahre und hat sich tief in ihrem täglichen Schaffen verwurzelt. Neben der Foodcoop «Tante Emmen», welche sie mitbegründet hat, engagiert sie sich seit Frühling 2023 auch im Vorstand der Gemüsebaukooperative «Randebandi». Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse bringt sie zudem als Programmleiterin der «Neuen Gärten Bern» beim Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) ein.

Die Mutter von zwei Kindern beschreibt sich selbst als optimistisch, engagiert, abenteuerlustig und naturverbunden. Zwischen ihren beruflichen Verpflichtungen und neben ihren zahlreichen Projekten findet sie immer wieder Zeit, im Chor zu singen, in den Bergen wandern oder in der Reuss schwimmen zu gehen. Ein besonderer Moment in diesem Jahr waren die 2,5 Monate mit ihrer Familie auf der Geissenalp Alpe Soladino im Maggiatal. Dabei betont sie: «Wir versuchen mit unserem Lebensstil ein wenig dem Alltagstrott auszuweichen.»

Egloffs Interesse an solidarischer Landwirtschaft und nachhaltiger Ernährung wurde schon in ihrer Kindheit geweckt. Sie wuchs in einer Familie auf, die konsequent auf ökologische Werte setzte, mit kleinem Garten vor dem Haus. Reisen wurden in ihrer Familie immer mit dem Zug angetreten, während Flugreisen vermieden wurden. Diese bewussten Entscheidungen ihrer Eltern beeinflussten und prägten ihren Weg, oft abseits des gesellschaftlichen Mainstreams. Und so hat sie hat auch folgende Frage immer wieder beschäftigt: Wie können wir unsere Gesellschaft, gerade in Bezug auf die Klimakrise und Nachhaltigkeit, zukunftsfähiger gestalten?

Von Ortoloco und Solawi
Hierzu fällt ihr folgendes Stichwort ein: die Bankenkrise 2008/2009. Sie wohnte damals in Zürich und initiierte gemeinsam mit Nachbarinnen und Nachbarn eine Vortragsreihe mit dem Titel «Wirtschaft und Alternativen». Das Hauptanliegen dieser Veranstaltungen war die Suche nach Alternativen zum bestehenden Wirtschaftssystem. Bei dieser Recherche stolperte die Gruppe über das Konzept der solidarischen Landwirtschaft (Solawi) und entschied sich kurzerhand, dieses in die Tat umzusetzen. Dieses Engagement führte zur Gründung der Gemüsekooperative «Ortoloco» im Jahr 2009.

Das Projekt ist nicht nur ein Zeichen gegen die Entfremdung von Nahrungsmitteln, sondern verkörpert auch die Prinzipien der Solidarischen Landwirtschaft: Produzentinnen und Produzenten kommen mit Konsumentinnen und Konsumenten zusammen, um gemeinsam Verantwortung für ein Projekt zu übernehmen.

Egloff betont: «Nur Vorträge haben uns nicht gereicht. Wir wollten handeln, einen Unterschied machen und unseren Beitrag zu einer besseren Zukunft beisteuern.» Dieses Engagement habe ihr viel Freude bereitet. Es bot nicht nur eine Plattform zum Lernen und für positive Rückmeldungen, sondern war auch in vielerlei Hinsicht bereichernd. Das Engagement in solch einer Initiative ermöglichte den Aufbau neuer Bekanntschaften und das Erweitern des eigenen Netzwerks. Besonders in einer großen, oft anonym wirkenden Stadt, stelle dies eine wertvolle Möglichkeit dar, Verbindungen zu Gleichgesinnten zu schaffen.

Gerade für Menschen, die sich einen eigenen Gemüsegarten wünschen, aber nicht die volle Verantwortung wie beispielsweise regelmässiges Giessen tragen können, bietet solidarische Landwirtschaft eine attraktive Lösung. Darüber hinaus profitieren die Teilnehmenden von einer Ertragsgarantie - sie erhalten jede Woche eine Lieferung frischen Gemüses. Gerade für Anfänger im Anpflanzen, die in einem eigenen Garten möglicherweise mit schwankenden Erträgen konfrontiert sind, stellt dies ein echter Vorteil dar.

Regional und günstig
Nachdem Lea Egloff mit ihrer Familie vor einigen Jahren nach Emmen in den Unter-Grundhof umgezogen war, hat sie auch hier mitgeholfen, ein neues Projekt auf die Beine zu stellen: Die Bestellgemeinschaft «Tante Emmen» ist eine Lebensmittelkooperative auf Vereinsbasis, in der viermal jährlich gemeinsam Produkte bestellt werden.

Die Teilnahme an einer solchen Gemeinschaft ermöglicht es, günstigere Produkte nach ethischen Kriterien, wie beispielsweise biologisch oder regional, zu konsumieren. Gerade Menschen mit geringerem Einkommen können es sich dank Foodcoops leisten, solche Lebensmittel zu beziehen. Zudem sind viele der Produkte unverpackt – auch hier kann ein grosser Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet werden. Verpackt und verteilt werden die Lebensmittel gemeinsam; jeder leistet seinen Beitrag.

Ehrenamtlich und solidarisch
Die Vorteile dieser Gemeinschaft sind mannigfaltig. Zum einen wäre da das Mitspracherecht: Wo bestelle ich meine Nahrung? Zu welchen Bedingungen konsumiere ich? Man könne bewusst Alternativen wählen und den Wirtschaftskreislauf im kleinen Rahmen verändern, erklärt Egloff. Foodwaste ist ein weiteres Argument – hat beispielsweise eine Landwirtin zu viele Äpfel geerntet, welche sie nicht verkaufen kann, könne die Kooperative auch spontane Bestellungen vornehmen und solche Produkte vor einer möglichen Entsorgung retten.

Egloff erwähnt auch das gestiegene gegenseitige Verständnis von Land- und Stadtbevölkerung: Früher, als sie in der Stadt Baden aufgewachsen war und «keine Ahnung von Landwirtschaft hatte», sei ihr dies weniger bewusst gewesen. «Dann habe ich gemerkt, wie viel eigentlich Landwirtschaft ausmacht», erinnert sie sich und ergänzt, dass gerade durch solche Projekte die Solidarität zwischen Land und Stadt gefördert werden könne. «Statt von einem Stadt-Land-Graben zu sprechen, suchen wir den Austausch und finden gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft.»

Wachsendes Interesse
In den letzten Jahren beobachtet Lea Egloff ein wachsendes Interesse an Lebensmittel- und Gemüsebaukooperativen. Während solche Kooperativen lange Zeit als Randerscheinungen galten, hat insbesondere die wachsende Bewusstheit für globale Krisen wie den Klimawandel das Interesse der Menschen geweckt. Sie fügt an: «Die Menschen merken, dass es möglich ist, Neues auszuprobieren und neue Ansätze, welche ökonomisch, sozial und ökologisch funktionieren, vorhanden sind.»

Ein zunehmendes Echo aus der Community suggeriert zudem eine Art von Aufbruchsstimmung. Die Menschen spüren die Veränderungen in ihrer Umwelt und fragen sich, was sie beitragen und in ihrem eigenen Alltag ändern können. Egloff fügt hinzu: «Man vernetzt sich vermehrt und stärkt sich gegenseitig. Dabei entstehen viele neue Ideen und Projekte. Soziales Kapital und Vernetzung sind in der heutigen Zeit von immenser Bedeutung. Es ist essenziell, dass wir uns in all unseren Bestrebungen unterstützen.»

Entgegen der Entfremdung
Eines der zentralen Anliegen von Lea Egloff ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, woher unser Essen kommt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde. «Die Entfremdung von unseren Lebensmitteln ist in der jüngeren Vergangenheit immer ausgeprägter geworden. Vielen Menschen ist nicht mehr bewusst, welche Ressourcen und Arbeit dahinterstecken, dass wir täglich in Supermärkten vor prall gefüllten Regalen stehen», beobachtet sie kritisch. Es scheint, als hätte die Gesellschaft die Wertschätzung für Nahrungsmittel verloren – ein scharfer Kontrast zu vergangenen Zeiten.

Genau diese Erkenntnis hat Lea tief bewegt und geprägt. Schon seit sie sich leidenschaftlich in dieser Bewegung engagiert, habe sie viele positive Erfahrungen machen können. Ihr Resümee dazu: «Es hat mir unglaublich viel gegeben zu erkennen, dass ich aktiv einen Unterschied machen kann. Es war eine bereichernde Zeit, ich habe enorm viel gelernt und hatte dabei sehr viel Freude.»

Wöchentlicher Nachschub
Ein weiteres Projekt, an welchem sich Egloff beteiligt, ist der Verein «Randebandi». Das Konzept ist einfach erklärt: Man schliesst sich mit Gleichgesinnten zusammen und betreibt gemeinsam einen grossen Gemüsegarten. Neben den zwei professionell angestellten Gemüsebäuerinnen arbeiten alle Vereinsmitglieder rund fünf Mal im Jahr mit: sie helfen bei der Ernte, beim Abpacken der Gemüsetaschen oder kommen an einem Samstag mit der ganzen Familie aufs Feld, um im Rüeblibeet zu jäten. Dafür bekommt man wöchentlich seinen Anteil an der Ernte – einen grossen Sack voller Gemüse.

Insbesondere möchte Egloff und der Verein «Randebandi» auch junge Familien in Emmen ansprechen. «Randebandi ist nicht nur für Erwachsene eine tolle Sache. Familien können mit ihren Kindern aufs Gemüsefeld arbeiten gehen. So erleben die Kleinen hautnah, wie ihr Essen entsteht und wo es herkommt. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, den Kindern Wertschätzung für die Landwirtschaft und unserer Lebensmittel näherzubringen.»

Solidarische Landwirtschaft bietet noch weitere Vorzüge: So wird das Risiko auf alle Mitglieder verteilt, viel Wert auf Mitsprache und Mitarbeit gelegt, und man kommt raus, erlebt was und kann mitanpacken. Für Egloff ist das eine der schönsten Abwechslungen zum Alltag. Zudem ist man Teil einer zukunftsfähigen Form von Landwirtschaft und kann wiederum aktiv etwas beitragen. Die Rückmeldungen von Teilnehmenden am Projekt «Randebandi» seien durch und durch positiv, sagt Egloff.

Alle sind willkommen
«Wir möchten damit alle ansprechen, denn ein toller und naturnaher Lebensraum sollte für alle zugänglich sein.» Man könne bei beiden Projekten «Tante Emmen» und «Randebandi» gerne und ohne Verpflichtung vorbeikommen, erzählt Egloff weiter. Mit den Menschen sprechen. Fragen stellen. Herausfinden, was es bedeutet, Teil eines solchen Projekts zu sein. Mitmachen sei immer möglich, und man freue sich über jede neue Hilfe bei der nächsten Aussaat oder Ernte.

Für eine lebenswerte Zukunft
Das Gleichgewicht zwischen Familie, Freunden und ihrem Engagement zu finden, stellt für Lea Egloff sicherlich eine Herausforderung dar. Dennoch ist sie fest überzeugt, dass es machbar ist. Denn ihr Ziel ist es, einen positiven Beitrag für eine lebenswerte Zukunft für alle zu leisten. «Wenn mich meine Kinder in 10 bis 15 Jahren fragen: 'Was hast du gemacht? Wie hast du dich engagiert?' Dann möchte ich keine Ausreden suchen müssen. Ich möchte sagen können: Ich habe mich für eine lebenswerte Zukunft für alle eingesetzt und tue das immer noch», betont Egloff.

Gerade weil beide Elternteile Teilzeit arbeiten, finden sie genügend Raum, um ihre Interessen und Pflichten unter einen Hut zu bringen. Und wenn es dann doch mal ein besonders anstrengender Arbeitstag war, zieht es sie oft an einen ihrer Lieblingsplätze an der Reuss, zum Schwimmen, Lesen oder einfach nur Entspannen.

Eines der zentralen Anliegen von Lea Egloff ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, woher unser Essen kommt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde. (Bild: zvg)
Lea Egloff engagiert sich aktiv für solidarische Landwirtschaft und eine nachhaltige Zukunft. (Bild: zvg)