Gemeinde Emmen
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Kaum ein Thema in Emmen polarisiert Bevölkerung und Politik dermassen, wie dies der Militärflugplatz Emmen tut. Er verursacht Lärm und beansprucht weite Flächen auf dem Emmer Gemeindegebiet, monieren die einen. Andere hingegen sehen in ihm einen Beitrag zum Schutz des Schweizer Luftraums und einen volkswirtschaftlichen Gewinn für die Gemeinde. Gesamthaft betrachtet trifft wohl alles zu. Nur: Welche Seite der Waagschale hängt denn nun tiefer? Kosten oder Nutzen?
Diese Frage wurde an der Einwohnerratssitzung vom 12. März 2024 (hier im Livestream nachsehen) kontrovers diskutiert. Am Anfang der Debatte steht eine Interpellation der SP, die nach belastbaren Zahlen zum wirtschaftlichen Nutzen des Militärflugplatzbetriebs für Emmen fragt. Wie aus der Beantwortung des Gemeinderates hervorgeht, existieren dazu keine wissenschaftlich untermauerten Daten. Die Exekutive stützt sich stattdessen auf eine Studie der Uni St. Gallen zu Regionalflugplätzen und trägt entsprechende Zahlen für Emmen zusammen.
Kaum Emmer Angestellte auf dem Gelände
Diese Zahlen indes sorgen von links bis zur Mitte wahlweise für Überraschung, Enttäuschung und Ernüchterung. Dies deshalb, weil die auf dem Flugplatzgelände angesiedelten Unternehmen insgesamt zwar rund 1700 Mitarbeitende beschäftigten, davon aber lediglich ein Bruchteil in Emmen wohnhaft und damit in der Gemeinde steuerpflichtig ist: Von den 445 VBS-Mitarbeitenden leben 16 in Emmen (3,6 Prozent), während die 975 Personen umfassende Belegschaft der Ruag MRO Holding AG ungefähr 56 Emmerinnen und Emmer (5,7 Prozent) beschäftigt. Die Ruag International Holding AG gibt ferner keine Angaben zu den Wohnorten ihrer 305 Angestellten preis.
Angesichts der Fläche, die der Militärstützpunkt einnimmt, sei diese Bilanz ernüchternd, meint Interpellant Jonas Ineichen (SP). «Die knapp 500'000 Franken, die hiesige Gastrobetriebe durch den Militärflugplatz jährlich einnehmen, reissen das aus unserer Sicht auch nicht raus. Man stelle sich vor, wie viele geräuscharme Arbeitsplätze auf derselben Fläche eingerichtet werden könnten. Alleine im Bereich des Rollfeldes könnte man 17 Mal das Emmen Center samt Parking unterbringen», rechnet der Sozialdemokrat vor.
«Das Argument, wonach die Gemeinde durch den wirtschaftlichen Output des Militärflugplatzes profitieren würde, ist arg ins Wanken geraten», schliesst Ineichen sein Votum. Er steht mit dieser Einschätzung nicht allein da. Christian Meister (Mitte) zeigt sich ebenfalls erstaunt über die tiefe Anzahl ortsansässiger Angestellter in den Betrieben auf dem Flugplatzgelände. Für Christian Kravogel (GLP) liegen diese Werte «weit unter den Erwartungen.» Auch Cyrill Gürber von den Grünen würden die Zahlen nachdenklich stimmen. «Zusätzlich bedenklich finde ich, dass es der Ruag-Konzern mit seinen fast 300 Vollzeitstellen nicht fertigbringt, auch nur eine einzige Lehrstelle anzubieten», führt er zusätzlich ins Feld.
«Was will die Ratslinke eigentlich?»
Dezidiert anderer Meinung zeigt sich Martin Zumbühl namens der FDP. «Die Zahlen und Fakten belegen eine klare Haltung für den Militärflugplatz Emmen», sagt der Freisinnige. Die total rund 1700 Beschäftigen würden mehr als zehn Prozent aller Arbeitsplätze in der Gemeinde Emmen entsprechen. Dabei sei nicht relevant, wie viele davon in Emmen wohnhaft sind. «Ausserdem dürfen nicht nur die direkten Steuereinnahmen betrachtet werden, sondern es gilt auch die erzielten Umsätze ebenso wie Zulieferbetriebe zu berücksichtigen», sagt Zumbühl.
Der FDPler weist zudem darauf hin, dass der Bund in den nächsten Jahren auf dem Gelände Bauvorhaben mit einem Investitionsvolumen von 75 Millionen Franken vorsähe. Und: «Mit dem Betrieb hängt der eidgenössische Auftrag des VBS zusammen, der einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes leistet», konstatiert Zumbühl – und redet damit Paul Jäger (Unabhängig für Emmen) das Wort.
Jäger, ehemals stellvertretender Flugplatzkommandant, erkennt in seiner einstigen Arbeitsstätte vor allem Vorteile für Emmen: Militärischer Schutz im Ernstfall, naturbelassene Landschaft, wertvolles Kulturland, Schutz des Grundwassers. Ohnehin störe er sich grundsätzlich an der Diskussion: «Was will die Ratslinke mit diesem Vorstoss eigentlich? Will sie schlussendlich den Militärflugplatz schliessen?», fragt er rhetorisch in die Runde. «Wer fragt denn bei anderen Unternehmen in Emmen nach deren Kosten-Nutzen-Verhältnis, etwa bei solchen, die die Umwelt belasten und mit hunderten Lastwagen die Strassen verstopfen?»
Nächster Vorstoss angekündigt
Grossmehrheitliche Einigkeit im Rat besteht derweil in der Forderung nach finanziellen Lärmentschädigungen, die der Gemeinderat gegenüber dem VBS geltend macht. «Die durch die Emmer Bevölkerung getragene Lärmbelastung muss durch einen finanziellen Ausgleich in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden», meint etwa der Grünliberale Christian Kravogel. «Emmen steht eine Entschädigung für den Lärm zu», pflichtet Mitte-Einwohnerrat Christian Meister zu, während Martin Zumbühl (FDP) die Entschädigungsforderungen als «richtig und wichtig» beurteilt.
«Auf die Standortattraktivität der Gemeinde Emmen haben die Lärmemissionen bereits heute negative Auswirkungen», betont die Exekutive. Mit der Beschaffung des neuen Kampfjets dürfte die Debatte um das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Militärflugplatzes für die Gemeinde Emmen denn auch zusätzlich an Antrieb gewinnen, zumal die Lärmbelastung durch den F-35A im Einzelereignis deutlich zunehmen wird.
«Niemand weiss, was uns dieser Flugplatz bringt», sagt Simon Oehen (SP) im Abschlussvotum und nimmt die Frage von Paul Jäger nochmals auf: «Wir fordern eine vertiefte Abklärung, damit wir uns in zukünftigen Diskussionen rund um den Militärflugplatz auf verlässliche Zahlen stützen können.» Parteikollege Jonas Ineichen hat den nächsten Vorstoss zum Thema denn auch bereits angekündigt. Die SP werde mittels Postulat die Ausarbeitung einer Studie fordern, die eine ganzheitliche Kosten-Nutzen-Analyse des Militärflugplatzes Emmen erlauben soll.